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Erfahrungswissen und neue Führungskompetenz zusammengedacht: So verstehen wir Kita-Führungskräfte Mentoring

Die Führungsaufgaben in Kindertageseinrichtungen haben sich in den letzten Jahren deutlich erweitert. Der Fachkräftemangel, die Schnelllebigkeit von Chance-Prozessen oder die immer vielschichtiger werdenden Anforderungen von Familien, sind nur einige Beispiele dafür. Gerade Kita-Führungskräfte* stehen oft vor einer Fülle von Aufgaben und Herausforderungen.

Sie müssen sich zeitgleich in Management und Organisation des Kita-Betriebs, die Zusammenarbeit mit Familien, in die Netzwerke des Sozialraums und in den Bereich der Personalführung einarbeiten. Ein Kita-Team immer wieder zu einer professionellen Zusammenarbeit mit einem gemeinsamen pädagogischen Wertekern zu führen, ist dabei oft eine der schwierigsten Aufgaben.

Für neue Führungskräfte gibt es in der Einarbeitung nur wenig Schonfrist. Die berühmten »100 Tage« als Zeitraum zum Ankommen sind in der Führung einer Kita kaum noch umsetzbar. Alles, was den Betrieb der Kita betrifft, ist heute meist sofort Sache der Führungskraft. Dies macht es erforderlich, neue Kita-Führungskräfte von Anfang an zu unterstützen.

Einen Baustein dazu möchte das Projekt Kita-Mentoring, das vom Verband Evangelischer Kindertageseinrichtungen in Schleswig-Holstein e.V (VEK) und dem Wirtschaftsministerium Schleswig-Holstein initiiert wurde, entwickeln. Im Rahmen des Projektes erhalten neue Führungskräfte (Mentees) die Möglichkeit, aus einem Pool erfahrener Mentorinnen ein(e) Begleitung für sich auszuwählen. Diese Mentorinnen sind ehemalige Kita-Führungskräfte, die wertvolles fachliches und implizites Wissen und praktische Erfahrungen teilen . Ziel ist es, Mikrostress für neue Führungskräfte zu reduzieren, Führungskompetenzen zu stärken und gezielt auszubauen und Handlungskompetenzen zu erweitern. Im Fokus steht dabei die Rolle des/der Mentee als Führungskraft und ihr Handeln im Bereich des Kita-Managements und in der Personalführung.

Wir verstehen diese Form des Mentoring als ein Element der Personalentwicklung, dessen Ziel es ist, Mentees in ihrer ersten Zeit als Führungskraft darin zu unterstützen, ihre berufliche Identität zu entwickeln und ihr aktuelles berufliches Handeln zu reflektieren. Dabei ermöglichen die persönlichen Erfahrungen der Mentorinnen es, praxisnahe Ratschläge und Strategien anzubieten, die auf realen Situationen basieren. Diese konkreten Beispiele sind oft hilfreicher als theoretische Ansätze. Mentor*innen, die ihre eigenen Herausforderungen erfolgreich gemeistert haben, können darüber hinaus als Vorbilder dienen. Sie inspirieren Mentees und zeigen, dass es möglich ist, Schwierigkeiten zu überwinden und persönliche sowie berufliche Ziele zu erreichen.

Im Mentoring-Prozess können Mentor*innen, die sich ihrer eigenen Erfahrungen bewusst sind, diese Reflexion nutzen, um die Entwicklung ihrer Mentees gezielt zu fördern. Sie können Fragen stellen und Diskussionen anregen, die das Lernen und die persönliche Weiterentwicklung unterstützen.

Profi trifft Profi - Kita-Führungskräfte Mentoring konkret

Im Gegensatz zu Mentoringprogrammen aus der freien Wirtschaft oder Projekten mit Leitungs-Paten, in denen neuen Mitarbeitenden firmenintern ein Mitarbeiterin eine Leitungskollegin, die bereits längere Zeit tätig ist, als Mentorin zur Seite gestellt wird, handelt es sich beim Kita Führungskräfte-Mentoring um ein externes Mentoring. Die Kita-Mentorinnen in unserem Projekt waren selbst Kita-Führungskräfte, sind inzwischen aber meist pensioniert oder haben in einen anderen Bereich gewechselt. Um frischen Blickwinkel zu ermöglichen und nicht Gefahr zu laufen über »altes« Institutions-Wissen zu stolpern, ist die Bedingung für eine Mentoring-Beziehung, dass Mentee und Mentor*in nicht beim selben Träger gearbeitet haben bzw. arbeiten.

Das Kernstück des Mentoring- Projektes sind die Treffen des/der Mentorin mit der Mentee. Diese können ganz unterschiedlich aussehen. Von Telefonaten, Videokonferenzen oder Besuchen in der Kita der Mentee bis zu Mentoring-Spaziergängen ist alles möglich. Im Rahmen dieser Treffen legen Mentee und Mentorin gemeinsam die Themen und Ziele für jedes Treffen fest, bearbeiten Herausforderungen und erörtern Situationen, in denen sich der/die Mentee befunden hat. Mentoring erfordert damit von beiden Seiten ein hohes Maß an Offenheit, Vertrauen und Engagement. Es ist eine individuell auf die Teilnehmer fokussierte und geschützte Art der Beziehung.

Im Unterschied zu klassischen Fortbildungen setzt das Kita-Mentoring auf eine individuelle, bedarfsorientierte Begleitung, die auf die spezifischen Herausforderungen des jeweiligen Kita-Alltags und die Fragestellungen vor Ort zugeschnitten ist. Die Mentor*innen bieten dabei, je nach Erfahrungswissen, folgende Unterstützungsmomente:

Konkrete praktische Alltagshilfen

  • Tipps und pragmatische Lösungsansätze z.B. in der Zusammenarbeit mit Familien, beim eigenen Zeitmanagement oder zur fundierten Entscheidungsfindung
  • Best-Practice-Austausch Mentorin stellt erprobte Konzepte und Strategien zur Verfügung, die sich in ihrer Zeit bewährt haben.
  • Hilfe beim Akzeptieren von nicht Änderbarem, ohne sich lähmen zu lassen
  • Sortieren, Analysieren und Strukturieren

Unterstützung bei der Personalführung und der Planung von strategischen Zielen

  • Hilfe beim Verfolgen von längerfristigen Strategien, z.B. durch Nachfragen oder das Feiern von Erfolgen
  • Perspektivwechsel z.B. beim Verstehen von Mitarbeitenden oder Eltern
  • Unterstützung bei der Bewältigung von Konflikten z.B. im Spannungsfeld zwischen Team, Leitung und Familien
  • Unterstützung beim Erschließen von Wissen

Unterstützung beim Selbstmanagement und der Rollenfindung

  • Begleitung beim Zeit- und Prioritätenmanagement, z.B. bei der Entwicklung von realistischen Zeitplänen
  • Reflektieren über Stressauslöser und Entwicklung von Strategien zur Resilienz
  • Reflexion der eigenen Führungswerte und -prinzipien, Emotionale Unterstützung

Emotionale Unterstützung

  • Alltagsherausforderungen, die vertraulich besprochen werden können
  • Mentorinnen zeigen Interesse und können aufgrund eines ähnlichen beruflichen Hintergrundes Sichtweisen nachvollziehen
  • Mentorinnen sind ein verlässliches Gegenüber und schenken Zeit und Wertschätzung

Dabei nutzt die Mentorin Methoden, die je nach Zielsetzung, Beziehung zwischen Mentor und Mentee sowie Kontext variieren. Die Methoden nutzen die Erfahrung der Mentorinnen und bieten den Mentees praxisnahe Unterstützung.

Dazu gehören:

  • Gesprächs- und Reflexionsmethoden wie Aktives Zuhören, empathisches Spiegeln, unterschiedliche Feedback-Techniken oder Fragen, die zur Selbstreflektion anregen.
  • Ziel- und entwicklungsorientierte Vorgehensweisen z.B. bei der Weiterentwicklung von spezifischen Kompetenzen, der Konkretisierung und Verfolgung bestimmter Lösungsansätze oder Ziele und dem Erschließen von Wissen.
  • Methoden, um einen Rollen- Perspektivwechsel zu erreichen, beispielsweise in kleinen Rollenspielen, der Mentorin als Sparringspartnerin oder bei der Visualisierung von Prozessen
  • Lern- und Erfahrungsbasierte Methoden wie »Srorytelling« bei dem die Mentorin von eigenen Erfahrungen und Lernprozessen erzählt oder von der Reflektion eigener Fehler berichtet.

Insgesamt basiert das Mentoring-Programm auf einem Konzept, das sowohl die Bedürfnisse der Mentees als auch der Mentorinnen in den Fokus stellt. Die Mentorinnen werden sorgfältig ausgewählt. Dabei ist u.a. ein Kriterium, dass die ehemalige Führungsrolle reflektiert und emotional abgeschlossen ist. Ein im Projekt gemeinsam mit Mentorinnen und Mentees entwickeltes Schulungsprogramm bereitet zusätzlich auf die Rolle als Mentorin vor. Diese Schulung beinhaltet eine intensive Auseinandersetzung mit der eigenen Führungsbiografie, sodass individuelle Erfahrungen und Stärken reflektiert werden können.

Zusätzlich vertiefen die Mentorinnen verschiedene Gesprächs-, Feedback- und Reflexions-Methoden, die helfen, die Mentees effektiv zu unterstützen. Ein zentraler Bestandteil der Schulung ist die Erarbeitung einer unterstützenden Mentoring-Haltung, die auf die spezifischen Bedarfe der neuen Führungskräfte abgestimmt ist. Dadurch stellen wir sicher, dass jede Mentoring-Beziehung individuell und zielgerichtet gestaltet wird, um die Entwicklung der Mentees optimal zu fördern.

Was bewegt Mentor*innen am Projekt teilzunehmen?

Die Mentorinnen sind im Projekt hoch engagiert. Sie begleiten meist nicht nur einen Mentee, sondern aktuell bis zu drei. Im Austausch mit den meist bereits verrenteten ehemaligen Führungskräften ist immer wieder deutlich geworden, dass sie ihre Tätigkeit nicht als klassische Dienstleistung begreifen.

»Für eine richtige Dienstleistung ist die Ehrenamtspauschale zu gering. (lächelt) Für mich ist das Mentoring trotzdem ein echtes Win-Win. Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie anspruchsvoll der Job als Kita-Führungskraft sein kann. Ich hätte damals auch gerne jemanden mit Erfahrung an meiner Seite gehabt. Heute ist das alles noch viel schwieriger. Da mein Herz immer noch für die Kita-Welt schlägt und eine gute und kompetente Führungskraft letztendlich das Beste ist, was Kindern und Familien passieren kann, setze ich mich gerne dafür ein ... « beschreibt eine ehemalige Kita-Führungskraft und Mentorin. »Mich überraschen meine hoch kompetenten Mentees immer wieder mit ihren Herangehensweisen. Da kann ich gleich noch was lernen, auch wenn ich nicht mehr in einer Kita arbeite«.

Insgesamt bietet das Ehrenamt im Mentoring für Mentorinnen eine wertvolle Möglichkeit, für den Kita-Bereich aktiv und engagiert zu bleiben, während sie gleichzeitig einen bedeutenden Beitrag zur Entwicklung der nächsten Generation leisten. Der Austausch mit Mentees fördert auch das eigene Lernen. Durch den Kontakt zu jüngeren Fachkräften erhalten Mentorinnen frische Perspektiven und neue Ideen, die ihre eigene Sichtweise bereichern können.

Nutzen für Kita-Träger

Trägerorganisationen können in vielfältiger Weise von Mentoring-Programmen profitieren. Sie erhalten Impulse zur Gestaltung von langfristigen und gezielten On- und Off-Boarding Prozessen, zum Wissenstransfer bei Personalwechsel und profitieren von der Bindung der Führungskräfte.

Neue Kita-Leitungen haben im Projekt die Möglichkeit, gezielte Unterstützung in Bereichen zu erhalten, die für sie besonders herausfordernd sind und erhalten gleichzeitig Impulse zur Umsetzung von Best Practices und innovativen Ansätzen. Dies fördert ihre persönliche und berufliche Entwicklung maßgeblich.

Die Vorteile eines Mentoring-Programms sind nicht nur kurzfristig spürbar:

  • Mitarbeiterzufriedenheit: Gut unterstützte Führungskräfte schaffen ein positives Arbeitsumfeld, was die Zufriedenheit und Motivation im Team steigert.
  • Qualität der Bildung: Eine starke Leitung wirkt sich direkt auf die Qualität der pädagogischen Arbeit in der Kita aus.
  • Nachhaltigkeit: Durch die Entwicklung von Führungskompetenzen tragen Mentor*innen zur langfristigen Stabilität und Kontinuität der Kita bei.

Insgesamt stärkt ein Kita-Mentoring-Programm sowohl die Führungskompetenz neuer Leitungen als auch die Qualität der Arbeit in den Kitas, was den Trägern zugutekommt und zur positiven Entwicklung der frühkindlichen Bildung beiträgt.

Fazit

Kita-Mentoring ist ein wertvoller Baustein, um neue Kita-Leitungen zu empowern und sie in ihrer Rolle bestmöglich zu unterstützen. Durch den Austausch mit erfahrenen Mentor*innen erhalten sie nicht nur fachliche Unterstützung, sondern auch emotionale Rückendeckung. Dieser Ansatz fördert nicht nur die persönliche Entwicklung der Führungskräfte, sondern wirkt sich auch positiv auf die gesamte Organisation aus.

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